Bericht Radmarathon Bern-Bodensee-Bern 2003 (609km)

Urs Arnold
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Resultate und weitere Berichte 2003

609 Kilometer am Stück radfahren. Bin ich denn eigentlich verrückt! Anscheinend schon, sonst hätte ich mich nicht an den Radmarathon Bern-Bodensee-Bern angemeldet.

3 Wochen vor dem Rennen konnte ich mich doch noch durchringen und meldete mich an. Schliesslich kamen Fragen auf: Welches Rad soll ich benutzen, da ich kein Rennrad habe? Wann sollte ich starten? Was soll ich mitnehmen, da ich ohne Begleitfahrzeug starte? usw. Eine Woche vor dem Rennen leihte ich das Rennrad meines Bruders aus und ging damit zweimal trainieren und stellte es auf meine Grösse ein. Zudem montierte ich einen Triathlon-Lenkeraufsatz, Licht und einen Kartenhalter. Als Vorbereitung hatte ich etwa 2000 Kilometer mit MTB und Tourenrad in den Beinen. Ich fragte mich, ob das genügt? Die längste Distanz an einem Tag machte ich mal in Australien mit 341km, jedoch mit schwerem Gepäck und gutem Rückenwind. Das gute daran: Wenn ich mal die Hälfte des Rennens habe gehts nur noch heim, da ich in Bern wohne.
Zu allem Überdruss erkältete ich mich auch noch in der Woche vor dem Radmarathon. Am Vorabend des Rennens radelte ich ins Wankdorf raus  um die Startutensilien abzuholen. Ich erhoffte mir, auch jemanden zu treffen mit dem ich starten könnte. Anscheinend starten viele in der Kategorie Randonneure schon zwischen 6 und 7:30. War mir irgendwie zu früh. Ich wollte nicht schon müde starten. Juergen, ein Bekannter aus dem Internet, überzeugte mich dennoch etwas früher zu starten als geplant.
Nach einer schlecht durchgeschlafenen Nacht (Husten) ging ich am Morgen zum Start.
Das Wetter sah gar nicht gut aus. Wolken schlichen umher und es nieselte. Ich zog die Schuhüberzüge und Regenschutz bereits am Start an. Ferdinand, ein Österreicher machte sich auch gleich bereit und so starteten wir zusammen um 8:25 Uhr. Ich war etwas erstaunt, wie unbürokratisch dieser Start vor sich ging. Bereits im ersten Aufstieg zum Grauholz begann es in Strömen zu regnen. Wir starteten gemächlich, kamen dann aber gut voran und wechselten uns regelmässig ab. Nach 2:12 waren wir in Waldenburg. Ich wollte meinen Kartenhalter etwas nachziehen, da er Spiel hatte. Aber nichts war, ich hatte einen zu grossen und zu kleinen Inbus dabei. In der Hektik liess ich meine Trinkflasche liegen als ich nach 6 Minuten weiterging. Ferdinand war schon weiter und so hetzte ich im strömenden Regen hinterher. In Liestal holte ich ihn wieder auf. Bis Koblenz hatten wir meist guten Wind und zum Glück auch keinen Regen mehr. Nach 4:33 waren wir in Koblenz (Schnitt 29.9 km/h).
Ich staunte nicht schlecht: Als ich meine Nummer am Kontrollpunkt meldete drückte mir die nette Dame meine Trinkflasche in die Hand! Super-Service! Die Helfer in Waldenburg sahen die Trinkflasche, eruierten meine Startnummer und gaben ihn einer Betreuerin mit. Ferdinand fuhr wieder vorher los. Nach dem Grenzübergang musste man den Radweg nehmen. Ich landete schliesslich auf einem Kiesweg entlang dem Fluss. Irgendwie kann das nicht die richtige Route sein. Ich fuhr weiter und nahm bei der erstbesten Gelegenheit eine Strasse in den Ort hoch und fragte einen Einheimischen nach der Richtung. Die Steigung hoch noch Bonndorf war sehr angenehm. Ich musste mich zusammenreissen, dass ich nicht forcierte. Ich traf schliesslich Ferdinand wieder mit dem ich nach Ewattingen fuhr. Mir war schlecht. Hatte ich zuwenig gegessen? Hatte ich das falsche gegessen oder getrunken? Auf jeden Fall trank ich kein isotonisches Getränk mehr, da ich die Brühe teils schlecht vertrage (wie auch Powerbars).
Die Strecke nach Ramsen fuhr ich alleine. So konnte ich mein Tempo fahren und meinen Magen etwas beruhigen. Die Gegend war schön. Es ging vornehmlich über ein Hochplateau und am Schluss durch die "vulkanische" Gegend um Singen. Ein hartes Stück Arbeit stand mir mit dem Blumberg bevor. Obwohl ich drei Kettenblätter habe musste ich meines Erachtens zuviel würgen. Also stieg ich ab und lief in schnellem Schritt hoch, was auch nicht viel langsamer war. Meine Steigungsanzeige zeigte mir 20% an! Vor Singen begann es wieder heftig zu regnen. Zudem musste man einen Umweg machen, da eine Strasse gesperrt war. Danach nahm ich noch einen Radweg, der mir einen Umweg bescherte.
In Ramsen begann die lange Rollerstrecke bis Sargans. Ich wollte auf keinen Fall alleine weiterfahren. Nach 13 Minuten fuhr ich mit Ferdinand, Martin und Michael weiter. Wir harmonierten gut und konnten einen 30er Schnitt nach Rheineck fahren. Die Stimmung über den Bodensee war speziell. Schwarze Wolken zogen umher, die Sturmwarnlichter blinkten, dann wieder ein Sonnenstrahl oder sogar ein Regenbogen. Bis Rheineck hatte ich genau 12 Stunden. Ich wechselte meine durchnässten Kleider, ass Teigwaren und diskutierte. Im Nu waren 50 Minuten um. Da es eigentlich ganz gut lief, entschloss ich, meinen Schlafsack nicht zu gebrauchen und gleich weiterzuradeln
Weiter fuhr ich mit Martin, einem Deutschen, der schon nach Rheineck ziemlich schnelle Ablösungen fuhr. Ob ich ihm folgen konnte? Bei Hohenems bog ich auf die Autobahn ein. Zum Glück merkte ich es nach 30 Metern und so wendeten wir wieder. Wir holten auf der Strecke diverse Radler ein und so waren wir maximal eine Gruppe von 7 Fahrern, von denen jedoch nicht alle dem Tempo folgen konnten. Auch auf dieser Teilstrecke gab es Regen. In Sargans war der Kontrollpunkt zum Glück etwas geheizt. Ich schlotterte trotzdem. Draussen war es noch 12 Grad Celsius und meine Kleider waren wieder durchnässt. Ich ass einen feinen Kuchen und drank Kaffee. Wir machten fast 30 Minuten Pause. Im Nachhinein kam mir das nie solange vor?
Wir fuhren wieder zu zweit weiter. Martin machte immer noch nicht den Anschein müde zu sein. Er machte die längeren Ablösungen. Ich war froh nicht alleine zu fahren. Machte ihm schon den Vorschlag alleine weiterzugehen, da mein Magen wiedermal in schlechtem Zustand war. Er wollte nichts davon wissen. Der Kerenzerberg war gar nicht so schlimm wie erwartet. Oben angelangt gabs etwas Cola von den aufgestellten Klaus, Annette und Bärbel. Klaus wollte eigentlich auch mitfahren, hat sich jedoch den Zeh gebrochen. Schade um die vielen Trainingskilometer und natürlich das entgangene Erlebnis. Während unserer Pause erschien ein unbeleuchtetes Moped aus der Finsternis und duckerte an uns vorbei. Wie der etwas sah, war uns ein Rätsel. Hier stellte sich dann heraus, wieso Annette den Martin überredete an den Radmarathon zu gehen. Während sie mit dem Auto hinter uns herfuhren bemerkten sie doch, dass Radfahren einen knackigen Hintern gibt :)! Was es doch für Gründe gibt, obwohl sie natürlich nicht ganz ernstgemeint sind! Cola hat bei mir meist heilende Wirkung und so gings zügig weiter. Das Begleitauto fuhr mit Volllicht in strömendem mit bis zu 50km/h hinter uns her. Bei Bilten gabs ne Baustelle. Wir fuhren den Umleitungsschildern nach. Bei einem Kreisel musste ich kurz meine Karte zücken. So mussten wir wieder einige Höhenmeter zurück zur Hauptstrasse hochfahren. Wir wären besser gleich durch die Baustelle gefahren, da diese eigentlich nur klein gewesen wäre. Um 2:41 waren wir in Pfäffikon. Mein hinteres Radlager gab ziemlich komische Geräusche von sich. Wir vermuteten, dass vielleicht eine Kugel kaputt war. Hoffentlich hält es noch die restlichen 160km durch.
Von Bäch gings dann steil hoch nach Schindellegi. Ich fuhr in Kurven hoch. Einmal in Schindellegi war das ärgste vorüber. Kurz vor Rothenturm machten wir noch kurz Pause und zogen uns wärmer an. Und auch hier begann es auf die Abfahrt hin wieder in Strömen zu regnen. Warum nur immer bei uns? Ich hatte in der Abfahrt grosse Mühe nicht einzuschlafen, sah Martin vor mir teils doppelt. Ich schüttelte immer wieder meinen Kopf um nicht einzuschlafen. In Goldau fuhr ich auf die Seite. So konnte es nicht weitergehen. Die Begleiter von Martin flössten mir ein RedBull ein. Normalerweise mag ich das Getränk nicht leiden, aber in diesem Fall erfüllt es seinen Zweck. Dafür konnte es nun ohne Licht weitergehen. Vor Emmenbrücke hatte dann auch Martin eine Krise. In Emmenbrücke machten wir satte 37 Minuten Pause. Ich fror. RAAM-Fahrer passierten uns am Kontrollposten gestresst.
Michael, mit dem wir schon nach Rheineck fuhren schloss sich uns an. Wir fuhren fortan etwas gemütlicher weiter. So hätte ich glaube ich noch lange weiterradeln können. Es blieb nun auch trocken bis ins Ziel. Ich kannte die Gegend gut, da ich in Luzern aufgewachsen bin. Vor Affoltern hatte dann auch Michael Müdigkeitsprobleme. Auch er kriegte ein Redbull von Martins Crew. In Affoltern gab's Käse und Joghurt. Schade, dass es nicht schon früher solch exzellente Speisen gab. Nach 10 Minuten gings weiter.
Wir gaben nochmal so richtig "Gas" und waren nach 1:07 Std zurück im Wankdorf.
Ich hatte es geschafft und konnte es kaum glauben, dass ich nicht mehr Probleme hatte. Ich war genau nach 26 Stunden zurück. Reine Fahrzeit hatte ich 22:25 Std, was einen Schnitt von 27.2 km/h ergibt. Alles in allem war ich zufrieden. Erstaunt war ich, dass ich insgesamt 3.5 Stunden Pausen machte. Bei den Randonneuren waren jedoch nur 14 Fahrer schneller als ich und selbst bei der Elite wäre ich nicht bei den letzten gewesen. Vielleicht sollte ich das nächste Mal doch bei der Elite starten und hoffen in grösseren Gruppen zu fahren. Erstaunt war ich auch, dass ich überhaupt keine Sitzprobleme und Handprobleme hatte. Betreff Sitzprobleme: Bis Rheineck fuhr ich mir einer Assos (Fl Mille), ab Rheineck mit der BBB-Hose. Beide Male strich ich eine dicke Lage Assos Sitzcreme auf Hose und Haut. Etwas unangenehm ist, dass die Creme Menthol entält und kühlt. Kalt hatte ich eh schon.
Nachdem Duschen schaute ich noch etwas dem Treiben zu. Als ich aufs Rad steigen wollte um heimzufahren konnte ich kaum noch treten. Meine Muskeln waren völlig verhärtet. Dies hat sich mittlerweile wieder gebessert. Schon am Sonntag gabs wieder eine kleine Ausfahrt nach Thun und am Montag auf den Ulmizberg. Allerdings bekam ich eine Woche nach einer Bergwanderung Knieprobleme, was ich auf die Muskelverhärtung zurückführte. Der linke Konus an meinem Hinterrad-Lager hat anscheinend Wasser bekommen und hat oxidiert.
Alles in allem war es ein gelungener, gut organisierter Anlass mit guter Stimmung obwohl das Wetter nicht perfekt war. Im Vergleich zu MTB-Marathons fand ich den Anlass weniger hektisch und weniger elitär (sympathischer).
Mal schauen, ob ich das nächste Jahr wieder dabei bin. Dies war eigentlich nur ein Schnupperversuch und als einmalige Sache gedacht. Aber man soll nie nie sagen.

Dank gehört den Organisatoren am Start/Ziel und an den Checkpoints und auch den Helfern von Martin (Annette, Klaus und Bärbel), die mich immer wieder motivierten.
 

Einige Fotos von Affoltern und Bern

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Am letzten Checkpoint in Affolter am Käse geniessen
Am letzten Checkpoint am Diskutieren über die letzten Strategien. Sollten nicht wir in dem Stuhl sitzen??
Im Ziel. Woher. Woher kommt nur dieser Dreck im Gesicht?
Diskussionen im Ziel
Auch Lachen kann man nach 600km noch!
Nach der Dusche scheine ich müder zu sein?


Abschnittszeiten:



Distanz
[km]
Abschnittszeit
[h:min]
Geschw.
[km/h]
Totaldistanz
[km]
Totalzeit
[h:min]
Pause
[min]
Bemerkungen
Bern-Waldenburg 65 2:12 29.5 65 2:12 6  
Waldenburg-Koblenz 72 2:15 32.0 136 4:33 9  
Koblenz-Ewattingen 46 1:53 24.4 182 6:53 18  
Ewattingen-Ramsen 56 2:19 24.2 239 9:12 13  
Ramsen-Rheineck 78 2:35 30.2 316 12:00 49  
Rheineck-Sargans 67 2:17 29.3 383 15:06 29  
Sargans-Pfäffikon 66 2:32 26.1 449 18:17 21 10MinPauseKerenzerberg
Pfäffikon-Emmenbrücke 69 2:51 24.2 518 21:38 37 6MinPauseRothenturm
3MinPauseGoldau
Emmenbrücke-Affoltern 56 2:28 22.7 574 24:43 11  
Affoltern-Bern 35 1:07 31.3 609 26:01 -  
Total(HAC4)   22:25 27.2   26:01    

Mittlere Herzfrequenz: 138